Atmung: Wie unsere Atmung funktioniert und welche Atemübungen dir dabei helfen zu entspannen

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schöner blauer himmel mit wolken

Atmung. Wir alle atmen. Jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Unsere Atmung ermöglicht es uns, zu leben. Aber warum sollte man zur Atmung einen Artikel lesen, geschweige denn daran arbeiten? Jeder von uns atmet doch von ganz allein völlig unterbewusst. Jedoch kann man mithilfe einfacher Atemübungen entspannen und eine bessere Konzentration erzielen.

Im Alltag und gerade in stressigen Situationen wissen wir oft nicht, wo uns unser Kopf steht: Wir haben viele Termine, Aufgaben und soziale Verpflichtungen und müssen die Bedürfnisse von uns, unserer Familien, unseren Freunden oder Kollegen unter einen Hut bekommen. In solchen Situation kann es schwer fallen, sich zu konzentrieren oder zu fokussieren und zu sich selbst zu finden – so banal es klingen mag, bewusst gesteuerte Atmung hilft dabei sich zu fokussieren und sich zu beruhigen.

Was passiert in unserem Körper, wenn wir atmen?

Die meisten Vorgänge unseres vegetativen Nervensystems lassen sich nicht direkt beeinflussen (wie z. B. der Herzschlag, die Verdauung). Unsere Atmung hingegen ist ein Vorgang des vegetativen Nervensystems, der sich bewusst beeinflussen und steuern lässt. Lenkt man bewusst den Atem, kann dies wiederum andere körperliche Vorgänge, wie unseren Herzschlag, beeinflussen. Es gibt zwei Arten von Atmung. Die isolierte Hochatmung und die Tiefenatmung.

Isolierte Hochatmung

Die isolierte Hochatmung wird auch als Brustatmung und Schulteratmung bezeichnet, weil die Atmung eher im Brust- und Schulterbereich zu spüren ist. Bei ihr wird das Potenzial der Lunge beim Atmen nicht ganz ausgeschöpft. Die Rippen heben sich dabei und daher wird das Zwerchfell passiv nach oben gezogen, während sich die Bauchwand kaum oder sogar nach innen bewegt. Das heißt, man hat einen eher flachen, kurzen Atem und man atmet eher oberflächlich. Diese Form des Atmens wird als unphysiologisch bezeichnet. Diese Hochatmung umschreibt auch ein eher hastiges, schnelles und schwaches Atmen. Diese Hochatmung kann auf Dauer ungesund und krankhaft werden.

Tiefenatmung

Bei der Tiefenatmung wird das volle Lungenvolumen ausgenutzt. Die Einatmung wird durch die Kontraktion des Zwerchfells ausgelöst. Dabei wird das Zwerchfell leicht nach unten gezogen und die Lunge dehnt sich viel weiter aus, als bei der Hochatmung. Das bewirkt ein Ausweichen der Baucheingeweide nach vorn, dies ist durch das Hervortreten der Bauchdecke erkennbar. Aufgrund dessen wird umgangssprachlich häufig von einer Bauchatmung gesprochen und gesagt, man atme tief “in den Bauch hinein”. Die Tiefenatmung, oder Vollatmung, wird als physiologisch bezeichnet, d. h. als gleichmäßig, mühelos, fließend, regelmäßig und ausgeglichen. Daher sollte es für jeden von uns ein Ziel sein, die pathologischen Hochatmung durch eine Tiefenatmung zu ersetzen, d. h. insbesondere die Zwerchfell-Flanken-Atmung oder Bauch-Zwerchfell-Flanken-Atmung einzuüben.

Welche Auswirkungen hat Stress auf unsere Atmung?

Jeder von uns ist manchmal aufgeregt oder gestresst. Ob bei einem entscheidenden Vortrag, einem Bewerbungsgespräch oder einem bevorstehenden Ergebnis eines Arztbesuches. Wenn wir aufgeregt oder gestresst sind, weil wir eine wichtige Präsentation halten müssen oder das Ergebnis einer Untersuchung ansteht, steigt unsere Herzrate und wir werden nervös, ängstlich, wir sind abgelenkt und es fällt uns schwer, sich zu fokussieren. Dafür verantwortlich sind der Sympathikus und der Parasympathikus. Beide Nervensysteme steuern bestimmte Prozesse in unserem Körper. Der Sympathikus ist aktiviert, wenn wir aufgeregt sind und schnell atmen, der Parasympathikus, wenn wir entspannt sind und langsam atmen.

Warum ist es sinnvoll, die Atmung bewusst für mich zu nutzen?

Durch die bewusste Regulation des Atems, die Lenkung der sogenannten Hochatmung und Tiefenatmung, lassen sich die Herzrate und damit einhergehende Stressgefühle in stressigen Situationen oder bei Nervosität senken. So fällt es uns leichter, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Zudem versorgt uns eine tiefe Einatmung mit mehr Sauerstoff im Gehirn. Dieser lässt uns klarer denken und fokussieren. Wenn wir bewusst atmen und uns auf das Ein-und Ausströmen der Luft konzentrieren, sind wir nur bei uns selbst und können es so schaffen, den Fokus auf uns und unser Körperinneres zu lenken. So einfach es klingt: Bewusste Atmung bewirkt wahre Wunder.

Daher ist es sinnvoll, die Steuerungunserer Atmung von Zeit zu Zeit bewusst zu trainieren und somit in stressigen Situationen als Methode einzusetzen, um sich zu beruhigen und zu re-fokussieren. Trainiert man die bewusste Tiefenatmung und integriert sie in den Alltag, ist es möglich, sich von äußeren Angstreizen oder Gedanken abzulenken und sich schnell zu fokussieren

Zusammengefasst: Was sind die Vorteile einer bewussten Tiefenatmung?

  • Mit unseren Gedanken lässt sich der Atemfluss steuern und damit körperliche Prozesse direkt und indirekt beeinflussen. Atmen wir tiefer und langsamer, sinken die Herzfrequenz und der Blutdruck, die Muskeln werden schlaffer und entspannen.
  • Durch die Nasenatmung werden Gedächtnisleistungen erhöht und die Konzentrationsfähigkeit sowie die Leistungsfähigkeit steigern sich.
  • Zudem wird man durch bewusste Atmung ruhiger und fokussiert sich auf sein Inneres.
  • Durch  den Fokus auf körpereigene Prozesse ist es möglich die eigenen Gedanken ins HIER und JETZT zu lenken und gedanklich nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit zu verweilen.
  • Bewusste Tiefenatmung ist leicht und flexibel in den Alltag einzubauen, um sich zu fokussieren, und zwischen Übungen, in Prüfungen oder während Vorträgen schnell zu sich zu finden.
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2 Atemübungen für eine bewusste Atmung

1. Einfache Atemübung zur bewussten Fokussierung

Nimm deine Hand und lege deinen Daumen an ein Nasenloch, deinen Zeigefinger an dein anderes. Atme nun durch dein rechtes Nasenloch ein (halte dabei dein linkes Nasenloch mit einem Finger zu) und atme durch dein linkes Nasenloch aus (halte dabei dein rechtes Nasenloch zu). Wiederhole die Übung für mehrere Atemzüge. Diese Übung legt den Fokus auf die Atmung und hilft dabei bewusster zu atmen.

2. Atemübung zur Unterstützung der Tiefenatmung

  • Schüttel dich kurz, damit dein Körper möglichst locker und entspannt ist.
  • Stell dich locker hin, die Beine Hüftbreit auseinander gestellt und leicht gebeugt – lasse die Schultern dabei locker hängen. 
  • Leg eine Hand auf deinen Bauch und die andere auf deine Brust – so kannst du deinen Atemfluss bewusst wahrnehmen.
  • Atme nun durch die Nase ein und stelle dir dabei bildlich vor in den “Bauch” einzuatmen. Spüre, wie sich deine Bauchdecke langsam hebt.
    • Wenn es nicht direkt funktioniert, probier es noch einmal und konzentriere dich auf den Luftstrom, der von deiner Nase über deine Lunge in deinen Bauch wandert.
    • Stell dir dabei vor, dass du durch die Nase Kraft und Energie einatmest und diese Energie durch deinen gesamten Körper bis zu deinen Füßen fließt.
  • Versuche ganz langsam auszuatmen und deine Lippen kaum zu öffnen, sodass nur ein kleiner Luftstrom ganz langsam deinen Mund verlässt.
    • Stellt dir beim Ausatmen vor, geerdet zu sein. Über die Füße verbindet sich der Luftstrom, den du einatmest, zum Boden und zur Erde.
  • Atmet noch fünf Mal tief durch die Nase Energie ein und langsam wieder aus.

Alltagscheck

Versuche, in der nächsten stressigen Situation, drei bewusste tiefe Atemzüge zu nehmen, um dich nur auf dich selbst zu fokussieren. Wie fühlt es sich an?

Welche Erfahrungen hast du bereits mit einer bewussten Atmung gemacht? Wenn du Feedback, Fragen oder Ergänzungen zum Artikel hast, schreib uns gerne hier oder auf Instagram (@psychologyjungle.de). Die anonyme Kommentarfunktion ermöglicht den inhaltlichen Austausch. Achte auf einen wertschätzenden Umgang, auch wenn wir im Internet sind 🙂

Quellen (zum Erweitern klicken)

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Bollmann, K., Jannack, I., Kersten, M., & Ruffer, B. Beispiel für ein schulinternes Fachcurriculum.

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Fiukowski, H. (1996). Sprecherzieherisches Elementarbuch. Leipzig, Deutschland: VEB Bibliographisches Institut.

Gundermann, H. (1995). Heiserkeit und Stimmschwäche: ein Leitfaden zur Selbsthilfe, wenn die Stimme versagt. Fischer.

Hein, M. (2010). Die Gesangtechnik des Beltings-eine Studie über Atemdruck, Lungenvolumen und Atembewegungen.

Ma, X., Yue, Z. Q., Gong, Z. Q., Zhang, H., Duan, N. Y., Shi, Y. T., et al. (2017). The effect of diaphragmatic breathing on attention, negative affect and stress in healthy adults. Frontiers in psychology, 8, 874.

Stock, E. (2020). Fachgeschichtliche Notizen: Zur Entwicklung der halleschen Sprechwissenschaft zwischen 1945 und 1990 (Vol. 21). Frank & Timme GmbH.

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