Depression – von Niedergeschlagenheit bis Suizidversuch. Was steckt dahinter?

by
mann am see

Depression – ein Begriff, der unglaublich häufig in unserer Gesellschaft fällt. Einige Betroffene ziehen sich am liebsten die Decke über den Kopf und möchten das Bett nie wieder verlassen. Andere Betroffene hingegen opfern sich Tag für Tag in ihrem Alltag auf und gehen dabei an ihren grübelnden Gedanken zugrunde und wieder andere finden sich schlaflos, kraftlos und ohne Appetit wieder – selbst an der schönsten Strandkulisse. Viele von uns neigen vielleicht dazu, auch mal antriebslos zu sein oder eine gedrückte Stimmung zu verspüren und schnell sagt man ganz salopp, dass man depressiv sei. Aber was steckt hinter einer Depression? Was sind die Symptome einer Depression, wie kommt sie zustande und ab wann gelte ich als depressiv?

Was ist eine Depression und welche Symptome machen sie aus?

Depressionen umfassen einen geistigen Zustand, der von einer gedrückten Stimmung und Interesselosigkeit bis hin zur Antriebslosigkeit reicht (über einen längeren Zeitraum hinweg). Eine Depression umfasst einen Katalog von verschiedenen Symptomen, die sich gegenseitig beeinflussen, verstärken und aufrechterhalten. Die Symptome reichen von negativen Gedanken und Grübeln über Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder innerer Leere bis hin zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen oder Suizidgedanken. Oft können Betroffene nichts Positives mehr denken. Auch Kraftlosigkeit, Appetitlosigkeit, innere Unruhe, Selbstzweifel, ein gereiztes Gemüt oder eine verlangsamte Sprache können Folge einer Depression sein. Die Symptome sind nicht zwingend alle vorhanden, denn Depressionen sind genau wie jeder Betroffene sehr individuell. Einige Menschen sind stärker betroffen als andere und auch die Ausprägung und Dauer einer Depression kann sehr unterschiedlich sein, sodass es schwerfällt, von “der einen typischen Depressionen” zu sprechen. 

Oft führt eine Depression zu einem erheblichen Leidensdruck und Einschränkungen im privaten oder beruflichen, sodass es Betroffenen schwerfällt, Familienfeiern zu besuchen, zur Arbeit zu gehen oder den Einkauf zu erledigen. Eine Depression kann sowohl als eigenständige psychische Störung auftreten als auch als begleitende Symptomatik einer anderen Erkrankung oder als Reaktion auf eine belastende Situation. Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Depressionen, wie z. B. die Winterdepression oder die Depression nach der Geburt eines Kindes.

Wie häufig kommen Depressionen vor?

Weltweit liegt das Risiko im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, also die Lebenszeitprävalenz einer Depression, bei etwa 16 – 20 %. Je nach Studie kann diese Prävalenz variieren, da Depressionen in den Studien unterschiedlich erfasst werden und sich auch ärztliche und psychologische Diagnosen unterscheiden können. In Deutschland wird die Zahl der Betroffenen auf etwa 4,1 Millionen Betroffene, also 5,2 % der Bevölkerung, geschätzt (WHO, 2017). Frauen sind häufiger von Depressionen betroffen als Männer.

Was sind die Ursachen für eine Depression?

Die Ursachen für das Entstehen einer Depression sind sehr verschieden. Es gibt nicht “die eine spezifische” Ursache, sondern verschiedene Einflüsse, die kombiniert zu einer Depression führen können. Zu den Ursachen, die zur Entstehung einer Depression beitragen, zählen genetische Einflüsse, die Umwelt sowie persönliche Eigenschaften.

Genetische Einflüsse und biologische Faktoren

Leidet ein Elternteil an einer Depression, ist es wahrscheinlicher, selbst auch im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken. Zudem kann eine Empfindlichkeit und emotionale Anfälligkeit gegenüber äußeren Belastungen, Stress oder sozialen Faktoren genetisch vererbt sein (Vulnerabilität). Auch Abweichungen verschiedener Neurotransmitter im Gehirn scheinen zu einer Depression beizutragen. So besteht die Annahme, dass ein Mangel an Serotonin im Gehirn (Serotonin-Hypothese) oder eine geringe Konzentration von Monoaminen (Monoamin-Hypothese) im Gehirn mit einer Depression in Verbindung stehen. An diese Hypothesen knüpfen einige Antidepressiva an, welche durch ihre Wirkweise für eine höhere Konzentration der verantwortlichen Neurotransmitter im Gehirn sorgen und in folglich die Symptome einer Depression vermindern. Doch diese Abweichungen der Neurotransmitterkonzentration im Gehirn allein können eine Depression nicht erklären. Auch Erfahrungen und Erlebnisse spielen eine bedeutende Rolle in der Entstehung von Depressionen.

Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse

Erfahrungen, wie z. B. eine in der Kindheit “erlernte Hilflosigkeit”, spielen eine Rolle in der Entwicklung einer Depression. Eine erlernte Hilflosigkeit umfasst die Einstellung, Situationen nicht kontrollieren oder beeinflussen zu können, sondern ihnen ausgesetzt zu sein. Nicht verarbeitete Verlustsituationen, wie z. B. der Verlust eines Elternteils, Traumata oder eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung, scheinen ebenfalls zu einer höheren Anfälligkeit für eine Depression zu führen. Neben diesen Erfahrungen und unsere Genen, spielen aber auch persönliche Faktoren eine Rolle in der Entstehung einer Depression.

Persönliche Faktoren und Eigenschaften

Persönliche Eigenschaften und Faktoren könne ebenfalls die Entstehung einer Depression begünstigen. Demnach scheinen Menschen, die sehr korrekt, aufopferungsbereit, ordentlich, unsicher und leistungsbetont sind, eher anfällig für die Entwicklung einer Depression zu sein. Ein sehr bekanntes Modell in der Erklärung zur Entstehung einer Depression ist das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, welches davon ausgeht, dass eine genetische oder persönliche Empfindlichkeit (Vulnerabilität) sowie kritische und stressreiche Lebensereignisse (Stress) in Kombination zu einer Depression führen können.

Die verschiedenen Einflüsse, die zur Entstehung einer Depression beitragen können, erklären, warum eine Depression so viele Gesichter haben kann und von Person zu Person variiert. Daher sollte man Depressionen, die eigenen Symptome und auch sich selbst nicht vergleichen.

Depression erkennen: Diagnose depressiv – was steckt dahinter?

Depressionen werden nach dem sogenannten ICD10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) diagnostiziert. 

Die Diagnose einer Depression setzt ein Andauern der Symptome von mindestens 2 Wochen voraus. Durch die Menge an verschiedenen Symptomen variiert das Erscheinungsbild einer Depression von Person zu Person sehr stark. Es gibt drei Kernsymptome und darüber hinaus weitere Symptome.

Zu den Kernsymptomen einer Depression gehören:

  • eine gedrückte Stimmung, die sich kaum verändert
  • ein Verlust der Freude sowie abnehmendes Interesse
  • eine Verminderung von Antrieb und Aktivität sowie eine erhöhte Ermüdbarkeit

Nebensymptome:

  • Verminderte Konzentration
  • Müdigkeit
  • Schlafstörungen
  • Früherwachen 
  • Morgentief
  • Beeinträchtigtes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Negative und pessimistische Gedanken
  • Suizidgedanken
  • Schuldgefühle
  • Gefühle der Wertlosigkeit
  • Unruhe
  • Motorische Beeinträchtigungen
  • Appetitlosigkeit
  • Gewichtsverlust
  • Libidoverlust

Schweregrad einer Depression

Abhängig von der Anzahl und Schwere dieser Symptome wird die Depression als leicht, mittelgradig oder schwer eingestuft. Es geht dabei vor allem darum, wie viele Symptome der Betroffene hat und wie stark der Betroffene eingeschränkt ist: 

  • Leichte Depression: Umfasst zwei Kernsymptome und zwei weitere Symptome mit einer leichten Beeinträchtigung im Alltag.
  • Mittelgradige Depression: Umfasst mindestens zwei Kernsymptome und 3-5 weitere Symptome mit Schwierigkeiten alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
  • Schwere Depression: Umfasst drei Kernsymptome in Verbindung mit mindestens fünf weiteren Symptomen.

Arten von Depressionen

Depressionen haben viele Gesichter. Sie unterscheiden sich je nach Person in der Ausprägung, Intensität sowie in ihrer Symptomatik. Trotzdem gibt es bestimmte Arten bzw. Unterformen von Depressionen, die klassifiziert wurden und vielen Menschen bekannt sind, wie zum Beispiel die bipolare Depression (auch bekannt als manische Depression bestehend aus Phasen der Manie und der Depression), die postpartale Depression (auch bekannt als Wochenbettdepression oder postnatale Depression), die saisonale Depression (Winterdepression) oder auch die Dysthymie.

Darüber hinaus gibt es einige psychische Zustände, die der Depression ähnlich sind, jedoch nicht offiziell als Diagnose gelten, wie z. B. der Winterblues sowie der Babyblues oder ein Burnout

“Ich kann nicht mehr” – Wie gehe vor, wenn ich eine Depression bei mir vermute?

Zunächst wendest du dich am besten an deinen Hausarzt, um in einer ärztlichen Diagnostik abzuklären, ob die Beschwerden Ausdruck einer Depression sind oder eine Begleiterscheinung einer anderen Krankheit (z. B. Hirnerkrankung). Wird dir anschließend eine Psychotherapie empfohlen oder vermutest du, dass eine Therapie für dich sinnvoll wäre, kannst du selbst einen ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten für ein Erstgespräch kontaktieren. Alternativ kannst du die Terminservicestellen der kassenärztlichen Vereinigungen (https://www.kbv.de/html/terminservicestellen.php) kontaktieren, welche dir dann wiederum eine therapeutische Sprechstunde vermitteln können. 

Innerhalb der therapeutischen Angebote gibt es verschiedene Maßnahmen, um eine Depression zu behandeln. Häufig wird eine Depression aus einer Kombination von psychotherapeutischen Maßnahmen und psychopharmakologischen (medikamentösen) Maßnahmen behandelt. Mehr dazu findest du in unserem Artikel „Wege aus der Depression: Was kann ich gegen eine Depression tun und wie kann ich ihr vorbeugen?“

Für den Notfall: Es gibt eine Telefonseelsorge, die deutschlandweit täglich 24 Stunden kostenfrei und anonym erreichbar unter den Nummern 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 ist. Weitere Infos unter www.telefonseelsorge.de. In dringenden Notfällen gibt es in auch im nächstgelegenen Krankenhaus oder durch den ärztlichen Notdienst Möglichkeiten rund um die Uhr Hilfe.

Feedback & Community

Wenn Du Feedback, Fragen oder Ergänzungen zum Artikel hast, schreib uns gerne hier oder auf Instagram (@psychologyjungle.de). Die anonyme Kommentarfunktion ermöglicht den inhaltlichen Austausch. Achte auf einen wertschätzenden Umgang, auch wenn wir im Internet sind 🙂

Quellen (zum Erweitern klicken)

Alonso, J., et al. (2004). Prevalence of mental disorders in Europe: results from the European Study of the Epidemiology of Mental Disorders (ESEMeD) project. Acta Psychiatr Scand Suppl. 2004;(420):21-7

Chaudhury, D., Liu, H., & Han, M. H. (2015). Neuronal correlates of depression. Cellular and molecular life sciences, 72(24), 4825-4848.

Dilling, H., & Freyberger, H. J. (2012). Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Huber, Bern.

Dsm, I. V. (1996). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen. Hogrefe, Göttingen Bern Toronto Seattle.

Gawlik, S., & Reck, C. (2011). Erschöpfung und Depression in der Schwangerschaft. Psychotherapeut, 56(3), 224-230. 

Koch, S., Lehr, D., & Hillert, A. (2015). Burnout und chronischer beruflicher Stress (Vol. 60). Hogrefe Verlag.

Korczak, D.,Kister, C., & Huber, B. (2010). Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms. DIMDI ‚Köln.

Laux, G. (2008). Depressive Störungen. In Psychiatrie und Psychotherapie (pp. 1401-1472). Springer, Berlin, Heidelberg.

Nolen-Hoeksema, S., Larson, J., & Grayson, C. (1999). Explaining the gender difference in depressive symptoms. Journal of personality and social psychology, 77(5), 1061.

Patel, M., Bailey, R. K., Jabeen, S., Ali, S., Barker, N. C., & Osiezagha, K. (2012). Postpartum depression: a review. Journal of health care for the poor and underserved, 23(2), 534-542. 

Plieger, T., Melchers, M., Montag, C., Meermann, R., & Reuter, M. (2015). Life stress as potential risk factor for depression and burnout. Burnout Research, 2(1), 19-24.

Plothe, C. (2009). Die perinatale Gabe von Oxytocin und deren mögliche Konsequenzen auf die Psyche des Menschen. Int. J. Prenatal and Perinatal Psychology and Medicine Vol, 21(3/4), 233-251. 

Reck, C., Stehle, E., Reinig, K., & Mundt, C. (2009). Maternity blues as a predictor of DSM-IV depression and anxiety disorders in the first three months postpartum. Journal of affective disorders, 113(1), 77-87. 

Riecher-Rössler, A. (2006). Was ist postpartale Depression. In B. Wimmer-Puchinger, A. Riecher-Rössler, Postpartale Depression, von der Forschung zur Praxis (S.11- 20). Berlin: Springer. 

Rohde, A. (2001). Psychiatrische Erkrankungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Der Gynäkologe, 34(4), 315-323.

Rohde, A. (2004). Rund um die Geburt eines Kindes: Depressionen, Ängste und andere psychische Probleme. Stuttgart: Kohlhammer.

Rohde, A. (2014). Postnatale Depressionen und andere psychische Probleme: Ein Ratgeber für betroffene Frauen und Angehörige. Stuttgart: Kohlhammer.

Rohde, A., & Dorn, A. (2007). Gynäkologische Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie: das Lehrbuch; mit 52 Tabellen. Stuttgart: Schattauer. 

Sanborn, B. M., Dodge, K., Monga, M., Qian, A., Wang, W., & Yue, C. (1998). Molecular mechanisms regulating the effects of oxytocin on myometrial intracellular calcium. In Vasopressin and Oxytocin (S. 277-286). New York: Springer. 

Scantamburlo, G., Hansenne, M., Fuchs, S., Pitchot, W., Marechal, P., Pequeux, C., & Legros, J. J. (2007). Plasma oxytocin levels and anxiety in patients with major depression. Psychoneuroendocrinology, 32(4), 407-410. 

Schildkraut, J. J. (1965). The catecholamine hypothesis of affective disorders: a review of supporting evidence. American journal of Psychiatry, 122(5), 509-522.

Schneider, F., Härter, M., & Schorr, S. (Eds.). (2017). S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. Springer-Verlag.

Schneider, H., Husslein, P. W., & Schneider, K. (2011). Die Geburtshilfe. Berlin: Springer. 

Sonnenmoser, M. (2007). Postpartale Depression: Vom Tief nach der Geburt. Deutsches Ärzteblatt. PP, 2, 82-3.Turner, E. H., Matthews, A. M., Linardatos, E., Tell, R. A., & Rosenthal, R. (2008). Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. New England Journal of Medicine, 358(3), 252-260.

Diese Beiträge könnten dir ebenfalls gefallen

Hinterlasse ein Kommentar

* Ich bin mit der elektronischen Erfassung, Verarbeitung und Speicherung meiner Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen von Psychology Jungle einverstanden.