In unserem Alltag gibt es häufig einige Gründe, die zur Angespanntheit führen. Häufig muss man alles unter einen Hut bekommen – den Stress im Job, die Zeit für die eigene Familie sowie den Freundeskreis und Zeit für unsere Hobbys. Wir laufen ständig auf Hochtouren und häufig vergessen wir uns dabei selbst. Doch wie trete ich all der Anspannung entgegen –wie entspanne ich mich wieder?
Warum ist Entspannung wichtig?
Sind wir ständig angespannt und schaffen es nicht uns zu erholen oder in Entspannungsphasen zu regenerieren, kann es sein, dass dauerhaft Stresshormone, wie Adrenalin, Dopamin und Cortisol ausgeschüttet werden. Evolutionär gesehen dienen diese dazu, Energiereserven freizusetzen – Blutdruck und Puls steigen zu lassen und uns auf eine “Flucht oder einen Kampf” vorzubereiten. Durch körperliche Bewegung werden diese Hormone wieder abgebaut, der Blutdruck sinkt und wir entspannen uns wieder. Da in unserem (beruflichen) Alltag mittlerweile aber die Jagd keine Rolle mehr spielt und damit die körperliche Bewegung untergeordnet ist, werden die Stresshormone häufig nicht abgebaut. Die Folge sind: ein steigender Blutdruck, Verdauungs- und Stoffwechselprobleme, Verspannungen oder Schlafstörungen. Ist dies ein Dauerzustand, kann es Studien zufolge mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Herz- und Kreislauferkrankungen, Depressionen und Diabetes kommen.
Was sind die Ziele von Entspannungsübungen?
Entspannungstechniken haben viele Vorzüge und zielen auf folgendes ab:
- Entspannung und Gelassenheit
- Regeneration und Erholung
- Kurzfristiges Abschalten
- Besseres Einschlafen
- Mehr Selbstkontrolle
- Eine bewusste Selbstregulation
Wo und wie entspanne ich mich am besten?
Um sich so gut wie möglich zu entspannen, ist es hilfreich, sich entspannungsfördernde Bedingungen zu schaffen. Folgende Tipps können dir dabei helfen, deine Umgebung entspannungsfördernd zu gestalten:
- Vermeide störende Reize (wie z. B. durch einen ruhigen Raum, Ohropax oder das Schließen deiner Augen)
- Nimm eine entspannungsfördernde Körperhaltung ein (wie z. B. eine angenehme lockere Liegehaltung oder eine passive Sitzhaltung durch ein lockeres Zurücklehnen auf einen bequemen Stuhl)
- Trage angenehme Kleidung, die dich nicht stört, irgendwo zwickt oder dich anderweitig ablenkt
- Sorge für eine angenehme Situation (vermeide z.B. Kälte, da du sonst zitterst und deine Muskulatur nicht richtig entspannen kann)
Die ersten Schritte zur Entspannung
Entspannung ist genauso erlernbar wie andere spezifische Fähigkeiten. Man kann bestimmte Entspannungsverfahren trainieren und gezielt in den Alltag integrieren. Dabei ist es wichtig, zunächst die eigene Situation besser zu verstehen und zu analysieren, um zu wissen, wann Entspannung wichtig für dich ist und wo du ansetzen musst.
- Überlege dir, in welchen Situationen du besonders angespannt und belastet bist: Gibt es bestimmte Situationen oder Umstände in deinem Alltag, die eine besondere Anspannung oder Verkrampftheit auslösen? Welche Situationen und Umstände stressen dich im Alltag besonders?
- Überlege dir, ob du schon bestimmte Entspannungstechniken im Alltag nutzt: Entspannst du dich manchmal bewusst? Gibt es Routinen oder Aktivitäten, die dich entspannen lassen? Oder gibt es sogar Personen, die dir dabei helfen dich zu entspannen? All das sind wichtige Ressourcen, die du für dich bewusst im Alltag einsetzen und nutzen kannst.
Nachdem du deine Ausgangslage identifiziert hast und weißt, wann es für dich wichtig ist zu entspannen, kannst du dir einige Entspannungsverfahren antrainieren und in deinen Alltag integrieren. Zudem kannst du schon bestehende Verfahren, die du vielleicht – bewusst oder unbewusst – anwendest, ergänzen.
Entspannungstechniken und praktische Entspannungsübungen im Überblick
Entspannungsverfahren dienen der Verringerung von Anspannung. Entspannung kann man lernen, in dem man sie trainiert und gezielt in stressigen Situationen, aber auch im Alltag immer wieder einsetzt. Die Entscheidung für oder gegen ein Entspannungsverfahren hängt von der Situation, der Vorerfahrung und den Problemen jedes Einzelnen ab. Häufig muss man mehrere Techniken ausprobieren, um die richtige Technik für sich zu finden.
Atementspannung
Atmung ist die Grundlage unseres Lebens und sie spielt eine entscheidende Rolle in der Entspannung. Mit einer Tiefenatmung wird die Herzfrequenz gesenkt, die Muskeln werden schlaffer und der Blutdruck fällt. Dadurch trägt die Atmung zu einem grundlegenden Teil der Entspannung bei. Atmen wir zu oberflächlich in der sogenannten Hochatmung, kann dies sogar zum krankhaften – pathologischen – Atmen führen. Die Unterschiede zur Tiefenatmung scheinen klein, sie sind aber für unsere Gesundheit und Entspanntheit entscheidend. Atmest du gesund? Finde es heraus – mehr zur gesunden Tiefenatmung findest du hier.
Achtsamkeitstraining
Achtsamkeit ist historisch betrachtet aus dem Buddhismus entstanden und stellt eine Form der Meditationspraxis dar. Achtsam sein bedeutet, sich selbst und seine Umgebung bewusst zu erleben – ohne dabei zu bewerten. Beim Achtsamkeitstraining geht es vor allem darum, die eigene Wahrnehmung zu verbessern und den eigenen Gedanken, Gefühlen sowie der Umwelt bewusster Aufmerksamkeit zu schenken. Achtsamkeitsübungen helfen dabei, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren und dadurch negative Gedankenspiralen zu durchbrechen. Durch die achtsamen Übungen nimmt man Gedanken und Gefühle bewusst wahr und distanziert sich dadurch automatisch als stiller Beobachter von seinen Gefühlen. Dies kann zu mehr Entspanntheit führen.
Ein Waldspaziergang kann z. B. zu einem Achtsamkeitstraining werden, wenn man dabei bewusst auf seine Umgebung achtet.
Progressive Muskel Relaxation (PMR)
Die progressive Muskelrelaxation wurde von Edmund Jacobsen erfunden und war vorher als progressive Muskelentspannung bekannt. Hierbei handelt es sich um das bewusste Anspannen und Loslassen der Muskulatur. Nach und nach werden verschiedene Körperteile und Muskelgruppen 5-10 Sekunden angespannt und anschließend losgelassen. Beginnend bei Gesicht und Kopf über unsere Arme und Hände, den Oberkörper, Rücken und Bauch sowie Po Beine und zuletzt die Füße. Die Methode hilft nachweislich zur Entspanntheit und wirkt auch gegen Depressionen.
Yoga
Yoga ist eine jahrtausendalte philosophische Lehre, die aus Indien stammt. Hierbei werden eine Reihe geistiger und körperlicher Übungen vereint. Es gibt viele verschiedenen Formen des Yoga, die verschiedene Atemtechniken, Meditationen, Körperübungen und Haltungen fokussieren und fördern. Das regelmäßige Praktizieren von Yoga verringert die Symptome von Ängsten, besonders von Panikattacken, und reduziert den wahrgenommenen Stress. Besonders die Atemübungen helfen, hohen Blutdruck zu regulieren. Online sind viele Videos zu verschiedenen Yoga Techniken zu finden, probier doch einfach mal das ein oder andere für dich aus.
Autogenes Training
Beim autogenen Training geht es darum, sich durch eine Selbstbeeinflussung in einen entspannten Zustand zu versetzen. Diese Entspannungsform gilt als eine Art Selbsthypnose, in der man durch gedankliche Fokussierung zur inneren Ruhe kommt. Die autogenen Übungen werden meist im Sitzen oder Liegen durchgeführt. Kern der Übungen ist es mit formelhaften Sätzen wie „Ich bin völlig ruhig“ den eigenen Zustand zu beeinflussen.
Alltagscheck
Teste heute doch einmal die Wirkung der progressiven Muskelentspannung. Spanne deinen gesamten Körper für 15 Sekunden an. Nimm dabei die Anspannung deines Körpers in diesen Sekunden bewusst wahr und lasse anschließend locker. Wie nimmst du die Entspannung der Muskeln wahr? Kannst du dir Vorstellen diese Übung im Alltag zu verwenden, um das Gefühl von Anspannung und Entspannung zu verankern?
Welche Entspannungsmethoden helfen dir besonders im Alltag? Wenn du Feedback, Fragen oder Ergänzungen zum Artikel hast, schreib uns gerne hier oder auf Instagram (@psychologyjungle.de). Die anonyme Kommentarfunktion ermöglicht den inhaltlichen Austausch. Achte auf einen wertschätzenden Umgang, auch wenn wir im Internet sind 🙂
Quellen (zum Erweitern klicken)
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