Corona: Wie kann ich meine Psyche vor Corona schützen? Tipps zur Verbesserung der psychischen Gesundheit.

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Dezember 2020. In Deutschland befinden wir uns noch immer im zweiten Lockdown. Im Gegensatz zum ersten Lockdown bringt der Zweite höhere Fallzahlen und eine dunkle Jahreszeit mit sich. Die Auswirkungen des Coronavirus und des Lockdowns auf unsere Psyche betreffen vor allem Depressivität, Ängstlichkeit, Wut, die soziale Isolation sowie Einsamkeit. Jedoch haben wir bereits Erfahrungen im Umgang mit einem Lockdown sammeln können und so haben wir die Chance darauf, unser Weihnachtsfest zu feiern – auch wenn es dieses Jahr eventuell anders als in vorigen Jahren ausfallen muss. Aber anders bedeutet nicht zwingend etwas Schlechtes. Mit ein bisschen Kreativität können wir neue Chancen ergreifen sowie Erfahrungen sammeln und zudem lernen wir, wertschätzender mit Traditionen und vergangenen Festen umzugehen. 

Der Lockdown dient in erster Linie dazu, die Ausbreitung des Coronavirus zu kontrollieren und schlussendlich Leben zu retten. Jedoch kann er auch das Fundament für psychische Erkrankungen bieten. Daher spielt der richtige Umgang mit Corona und dem Lockdown eine entscheidende Rolle, um psychische Folgen zu vermeiden uns unsere psychische Gesundheit zu schützen. 

Studienlage: Was sagt die Wissenschaft zu den psychischen Folgen von Lockdowns?

Weltweit beschäftigten sich zahlreiche Wissenschaftler dieses Jahr mit den Folgen von Lockdowns. Eine Studie italienischer Forscher (Di Giuseppe et al., 2020) zeigte im Zuge des ersten Lockdowns in Italien keine generell durchschnittlich erhöhten Werte von psychischer Belastung in der Stichprobe, dennoch zeigten sich für Frauen und jüngere Personen erhöhte Werte in psychischer Belastung. Auch positive Coronafälle im nahen Umfeld, eine längere Zeit im Lockdown oder ein Umzug wegen des Lockdowns führten zu höheren psychischen Belastungen.

In einer weiteren italienischen Studie von Gualano und Kollegen (2020) wurden im Lockdown höhere Prävalenzen in den Bereichen Depression und Angst sowie Schlafstörung als vor dem Lockdown identifiziert. Faktoren wie z. B. weiblich zu sein, die vermehrte Zeit im Internet zu verbringen (z. B. in sozialen Medien) oder Aktivitäten zu vermeiden, erhöhten die Wahrscheinlichkeit mindestens eines psychischen Gesundheitsrisikos. Mit zunehmendem Alter, dem Fehlen arbeitsbedingter Probleme und dem Verheiratetsein (bzw. Zusammenleben) verringerte sich hingegen diese Wahrscheinlichkeit.

Eine Studie, die in Indien von Rehman und Kollegen (2020) durchgeführt wurde, fokussierte sich darüber hinaus auf die Folgen des Lockdowns in Indien. Demnach litten besonders Studierende und Angestellte der Gesundheitsbranche an den Folgen des Lockdowns und zeigten höhere Werte in den Bereichen Angst, Depression und Stress als andere Berufsgruppen. Zudem seien Menschen mit familiärem Wohlstand weniger von diesen Folgen betroffen. In einer Studie der University of Sheffield fanden die Forscher darüber hinaus heraus, dass bereits die Ankündigung eines Lockdowns mit erhöhten Depressions- und Angstwerten einherging.

Die Corona-Spätfolgen auf die Psyche sowie psychosomatische Beschwerden werden aktuell intensiv erforscht. 

Aber warum empfinden wir Corona und den Lockdown so belastend? 

Ein Lockdown bedeutet für uns zunächst eine massive Veränderung unserer Alltagsstruktur und unserer Routine – egal ob wir uns in einem Teil-Lockdown oder in einem totalen Lockdown befinden. Nichts ist mehr wie zuvor. Unser Alltag und unsere Routinen werden verändert, dabei sind Routinen enorm wichtig für unsere psychische Gesundheit.  Sie geben uns Sicherheit in stressigen Phasen, sparen mentale Kapazitäten, regeln unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und geben uns eine Struktur.  Hinzu kommt eine ungewohnte Einschränkung unserer Freiheit, die dem Schutze und der Gesundheit unserer Gesellschaft dient, aber dennoch unsere Zukunftspläne durchkreuzt und völlig neu für uns ist – auch wenn es nur vorübergehend ist. 

Doch nicht nur der Lockdown, sondern auch die neue Situation einer weltweiten Pandemie bringt komplexe und verschiedenste Belastungen mit sich. Wir müssen mit zahlreichen Unsicherheiten zurechtkommen. Egal, ob die Unsicherheit darüber, dass die engsten Verwandten, Freunde oder man selbst schwere gesundheitliche Folgen davon tragen könnte oder die Unsicherheit darüber, den eigenen Job zu verlieren oder sogar die eigene Existenz.. 

Hinzu kommt eine selten zuvor erfahrene soziale Isolation, Einsamkeit und sich täglich ändernde Maßnahmen bezüglich des Umgangs mit Corona. Es ist schwierig für uns alle, sich in einen neuen, routinierten Alltag einzufinden. Des Weiteren kommt hinzu, dass wir wenig Vorerfahrung mit dem Bewältigen einer solchen Krise haben, denn wir erleben eine Bedrohung, die wir nicht sehen, riechen oder hören können. Damit ist die Pandemie eine Herausforderung für uns alle, aber der Mensch ist anpassungsfähig und auch an Corona können wir uns anpassen und das Beste daraus machen

Denn schwere Zeiten zwingen uns dazu, kreative Lösungen zu finden, uns zu entwickeln und eröffnet uns Möglichkeiten, gestärkt aus Krisen herauszugehen. Die Psychologen Tedeschi & Calhoun beschrieben das Phänomen des posttraumatischen Wachstums als eine positive psychologische Veränderung, die als Ergebnis des Umgangs mit höchst herausfordernden Lebensumständen erlebt werden.

Was können wir tun, um unsere mentale Gesundheit während der Pandemie zu stärken? 7 Tipps zur Verbesserung der psychischen Gesundheit während Corona

Die gute Nachricht in all der turbulenten Zeit ist: Der Mensch ist lernfähig und adaptiv. Die Evolution zeigt uns, dass wir uns an zahlreiche Umstände anpassen können, und das waren im Laufe der Geschichte der Menschheit einige. Die Neuroplastizität, also die Formbarkeit unseres Gehirns, hilft uns dabei, lebenslang zu lernen und neue Gewohnheiten im Denken und Handeln zu entwickeln – auch wenn es zunächst schwierig erscheint. Um uns den Umgang mit der neuen Situation etwas einfacher zu gestalten, geben wir dir ein paar Tipps, um mental stark zu bleiben:

  • Schaffe dir Routinen bzw. eine Tagesstruktur. Routinen nehmen uns im Alltag kleinste Entscheidungen ab und sparen dadurch mentale Kapazitäten. Des Weiteren haben sie einen positiven Einfluss auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, welcher wiederum unsere mentale Gesundheit beeinflusst und nicht zuletzt bieten sie uns mit einer festen Struktur Sicherheit in stressigen Zeiten. Daher ist sinnvoll, gerade in dieser unsicheren Zeit feste Routinen zu etablieren und den Alltag wieder in die eigene Kontrolle zu nehmen.
  • Halte soziale Kontakte. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Versuche dich auszutauschen. Egal, ob im Online-Meeting, per Nachricht, Brief, Telefonat oder bei einem Spaziergang. Auch wenn dir Umarmungen und Spieleabende fehlen, wichtig ist es, in Kontakt mit anderen Menschen zu sein und nicht in ein Loch der sozialen Isolation zu fallen.
  • Sorg’ für ein bisschen Me-Time. Ein Lockdown bietet die Möglichkeit, alles, was du immer für dich tun wolltest, wozu du im Freizeitstress aber nie Zeit hattest, auszuprobieren. Wie wäre es jetzt ein Instrument zu lernen, noch einmal Weihnachtskarten zu basteln, handwerklich tätig zu sein, an einer Entspannungsroutine zu arbeiten oder in Ruhe Beautyrituale durchzuführen? Kreativität, Entspannung und eine ausgewogene Ich-Zeit gehen im Alltag schnell unter. Wir sind es gewohnt, von A nach B zu hüpfen und zwischenzeitlich noch schnell ein Mittagessen einzuplanen. Was, wenn wir diese Zeit bewusst für uns nutzen und lernen, wieder kreativ zu werden und die Zeit mit uns selbst zu schätzen?
  • Bewege dich ausreichend. Regelmäßiges Bewegen verschiedenster Formen hat positive Effekte auf die mentale Gesundheit. Studien zufolge verbessert Fahrradfahren die Selbstwahrnehmung sowie die psychische Gesundheit. Zudem führt es zu mehr Vitalität sowie zu weniger selbstwahrgenommenem Stress und weniger Einsamkeitsgefühlen. Darüber hinaus führt Joggen zur vermehrten Ausschüttung von Endorphinen – aka Glückshormonen – und kann zum sogenannten Runners High führen, welches die Stimmung anhebt. Die körperliche Bewegung hat zudem natürlich auch positive Effekte auf unsere körperliche Fitness und stärkt uns in der Pandemie.
  • Reguliere deine Bettzeiten. Unser Schlaf-Wach-Rhythmus hängt stark mit unserer Psyche zusammen. Ein gestörter Schlaf kann Probleme wie verminderte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder mentale Probleme zur Folge haben und diese unbewältigten Probleme können wiederum den Schlaf beeinträchtigen. Ein Teufelskreis, der sich für Betroffene sehr belastend anfühlt und schwer zu durchbrechen ist, wenn man sich erst mal in ihm wiederfindet. 
  • Schaffe einen bewussten Umgang mit Nachrichten und lass dich nicht ständig alarmieren. Wir erleben eine tägliche Flut an Informationen. Online und offline. Gerade in dieser aufregenden Zeit häufen sich die Push-Benachrichtigungen auf unseren Mobiltelefonen und es ist manchmal schwierig, sich davon zu lösen. Schnell regt man sich über Veränderungen oder Ereignisse auf und teilt sie mit anderen. Diese stetige Informationsflut kostet viel Aufmerksamkeit, mentale Kapazität und kann dich stressen. Richte dir daher feste Zeiten ein, in denen du Nachrichten konsumiert, sodass du informiert, aber nicht abhängig bist. Und schalte deine Push-Benachrichtigungen aus! Denn du selbst solltest entscheiden, wann und welche Informationen du benötigst.
  • Nutze ausreichend Tageslicht. Tageslicht hat enorme Einflüsse auf unsere Stimmung und auf unseren circadianen Rhythmus. Gehe daher so oft wie möglich raus und sei es nur für einen kurzen Spaziergang. Zudem sind an dunklen Wintertagen Tageslichtlampen hilfreich, damit das Schlafhormon Melatonin nicht schon bei der Dämmerung am Tag ausgeschüttet wird und du tagsüber müde wirst. Darüber hinaus wird für die Produktion vom Schlafhormon Melatonin der Botenstoff Serotonin abgebaut. Ein Mangel an Serotonin hängt mit Depressionen zusammen (Serotonin-Hypothese). Wird also mehr Melatonin produziert, wird mehr Serotonin abgebaut. Daher ist viel Licht im Winter auch hilfreich gegen einen Winterblues bzw. eine Winterdepression.

Alltagscheck 

Was sind deine Tipps und Erfahrungen, um besser mit der Pandemie und dem Lockdown umzugehen? Hast du bisher auch schon positive Erfahrungen durch die Pandemie erlebt oder haben sich unverhoffte Chancen eröffnet?

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Quellen (zum Erweitern klicken)

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Di Giuseppe, M., Zilcha-Mano, S., Prout, T. A., Perry, J. C., Orrù, G., & Conversano, C. (2020). Psychological Impact of Coronavirus Disease 2019 Among Italians During the First Week of Lockdown. Frontiers in Psychiatry, 11.

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1 Kommentar

Klaus Dezember 24, 2020 - 8:56 PM

Sehr interessanter Artikel !!

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